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Die Soda-Brücken von Karlsruhe

Gibt es in Karlsruhe Brückenbauwerke mit Getränkeausschank? Laufen vielleicht Mineral-wasser-Leitungen darüber? Oder was könnte sonst eine "Soda-Brücke" sein? Des Rätsels Lösung geht ein wenig in Richtung Kalauer, denn die wichtigste Eigenschaft einer "Soda-Brücke" ist, dass sie einfach nur "so da" steht, also nie dem Zweck gedient hat, für den sie eigentlich mal vorgesehen war.


Spötter werden jetzt sagen, gut, das kann beim Berliner Hauptstadt-Flughafen auch noch passieren. Aber während dort noch berechtigte Hoffnung auf eine Inbetriebnahme besteht, sind „Soda-Brücken“ mit diesem Thema definitiv schon durch. Manche dieser Bauwerke bringen es schon auf ein erstaunliches Alter. So stehen zum Beispiel in der bayrischen Rhön schon seit den 1940er Jahren etliche – immer noch sehr solide – Brücken für eine nie gebaute Reichsautobahn.


Eine andere „Soda-Brücke“ hat sogar eine gewisse mediale Berühmtheit erlangt, zumindest bei Fans der Kölsch-Rock-Gruppe BAP. Das Cover von deren Album „Aff und zo“, was nichts mit Affen im Zoo zu tun hat, sondern in Kölscher Mundart „ab und zu“ bedeutet, ziert eine einsam in der Landschaft stehende Brücke. Dieses Monument verfehlter Straßenplanung steht seit den 1970er Jahren neben der A1 bei Euskirchen. Das Video zu der Single „Aff un zo“ haben BAP sogar zum Teil auf der Brücke aufgenommen, bei Youtube kann man nachschauen.


Aber zurück in hiesige Gefilde. Wenn auch die Karlsruher "Soda-Brücken" keine so große mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen, so gibt es hier doch zwei schöne Beispiele für eben jene Gattung. Und in puncto Alter kann eine der beiden locker mit der Konkurrenz Schritt halten, denn besagtes Bauwerk blickt in Kürze auf stolze 100 Jahre vollkommen sinnbefreiten Daseins zurück. Diese Brücke steht im "Lutherisch Wäldele", einem im Sommer fast urwaldartig anmutenden Dickicht auf dem Ostufer der Alb. Wer in letzter Zeit das schöne Wetter für eine Radtour entlang der Alb genutzt hat, wird vielleicht auf dem Abschnitt zwischen der Daxlandener Straße und dem Sonnenbad auf eine schon etwas angejahrt wirkende Überführung gestoßen sein. Unten durch führt der Radweg, rechts und links von der Brücke verlieren sich Reste eines Dammes im Unterholz.



Hierbei handelt es sich um ein Fragment der nie zu Ende gebauten zweiten Eisenbahnzufahrt zum Karlsruher Rheinhafen. Als der Hafen im Mai 1901 in Betrieb genommen worden war, verfügte er über eine einzige Zufahrt für Straße und Schiene, welche über die Albbrücke beim Elektrizitätswerk führte. Schon zwei Jahre später jedoch monierte der Betriebsinspektor der Eisenbahndirektion in einem Schreiben an den Stadtrat: "Hierbei drängt sich unablässig die Wahrnehmung auf, dass der sehr kurze Raum zwischen den Hafenbecken und der Albbrücke, auf dem sich das gesamte Verschubgeschäft, sowie der gesamte Lastwagen- und Fußgängerverkehr von und zum Rheinhafen zusammendrängt, mit den zur Zeit schon vorhandenen Gleisverzweigungen und den diese schienengleich kreuzenden Straße, schon jetzt so stark in Anspruch genommen ist, dass Unfälle nur durch unausgesetzte besondere Vorsicht aller Beteiligten zu verhüten sind.“


Situation an der Zufahrt zum Karlsruher Rheinhafen. (StadtAK 8/PBS oXIVa933 )


Abhilfe aus diesem Dilemma sollte der Bau einer zweiten Eisenbahnzufahrt bringen, welche das südwestliche Hafengebiet mit den heutigen Becken IV und V anbinden sollte. Mit dem Bau dieser Zufahrt wurde im Frühjahr 1921 begonnen. Auch wenn der Bürgerausschuss zu dieser Maßnahme keine „zwingende Notwendigkeit“ sah, sollte doch angesichts der hohen Arbeitslosenzahlen diese Arbeit als Maßnahme der produktiven Erwerbslosenfürsorge durchgeführt werden.


Als sich dann jedoch abzeichnete, dass die Umschlagszahlen im Karlsruher Rheinhafen aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage Anfang der 1920er Jahre nicht den erhofften Aufschwung nehmen würden, gerieten die Arbeiten ins Stocken und wurden schließlich abgebrochen. Fertig gestellt war nur der Damm bis zur Alb mit der heutigen „Soda-Brücke“, die eigentliche Albbrücke und der Anschluss an das Netz der Hafenbahn unterblieben. Mehrere Anläufe zur Fertigstellung des Torsos verliefen im Sande, ehe der Zweite Weltkrieg die Pläne endgültig zerschlug. Trotz der Fertigstellung des fünften Hafenbeckens in den 50er Jahren und der Ansiedlung weiterer Betriebe im südwestlichen Hafengelände unterblieb der Bau einer zweiten Zufahrt bis heute. Von den einstigen Gleisanlagen auf dem Hochgestade, die hinter der Carl-Metz- und Pfannkuchstraße verliefen und unter anderem das Michelin-Gelände anschlossen, ist heute nichts mehr zu sehen.


Die zweite Karlsruher „Soda-Brücke“ ist dagegen deutlich jünger. Sie befindet sich auf freiem Feld zwischen der Nordweststadt und Neureut im Verlauf der auch als „Hardtbahn“ bezeichneten Stadtbahnlinie S1.


Während oben auf der Brücke die Züge im 10-Minuten-Takt rollen, tummeln sich darunter lediglich sehr viele Kaninchen. Dabei hätte dort nach dem Gemeinderatsbeschluss vom Juni 1961 ein reger Auto- und Lkw-Verkehr herrschen sollen. Zur Entlastung der Karlsruher Innenstadt war eine Nordtangente durch den Hardtwald Richtung Rhein geplant. Während die seinerzeit ebenfalls beschlossene Südtangente bis 1988 fertiggestellt wurde, waren die Pläne für die Nordtangente heftig umstritten und blieben demzufolge in der Schublade liegen.



Was hingegen realisiert wurde, war der Anschluss Neureuts an das Stadtbahnnetz. Als 1979 die Strecke von der Nordweststadt nach Neureut verlängert wurde, kreuzte die neue Bahnlinie die Trasse der geplanten Nordtangente. Und da man schon mal großzügig am Bauen war, entstand auch gleich als Vorleistung für die Nordtangente die S-Bahn-Brücke über die geplante Autotrasse.


Interessant dabei ist die scharfe S-Kurve, mit der die S1 nach Neureut eingefädelt wird. Diese war so eigentlich nicht vorgesehen, vielmehr sollte die Stadtbahn auf einer Trasse östlich Neureuts entlang geführt werden. Die Bahn wäre nach der Überführung über die Nordtangente und der Kreuzung mit der Welschneureuter Straße in einer eleganten leichten Rechtskurve durch den heutigen Grünstreifen zwischen der Dürer- und der Grünewaldstraße gefahren. Stattdessen entschied sich die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft aber, das Gleis der alten DB-Strecke durch Neureut zu nutzen, da dieses den Ortskern erheblich besser erschließt.


Nachdem die Brücke schon fast 40 Jahre in Betrieb war, wurde sie dann 2017 endgültig zur „Soda-Brücke“. Denn in diesem Jahr gab die Stadt Karlsruhe endgültig die Planungen für den Mittelteil der Nordtangente auf und beantragte die Löschung der Trasse aus dem Regionalplan. Nun hat die Kaninchen-Kolonie dauerhaft ihre Ruhe.

Verkehrsentwicklungsplan von 2012 (noch mit Nordtangente; orangebraun eingefärbt)


Die Frage des Tages lautet: Wie hoch ist der Betrag, der beim Bau der ersten Soda-Brücke (beim Reinhafen) in den Sand gesetzt wurde?

o 50.000 €

o 130.000 €

o 420.000 € -------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Lösung von gestern:

Die erste Antwort war korrekt.

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