Nicht nur heute die Voraussetzung jeglicher wirtschaftlicher Tätigkeit, sondern auch vor 100 Jahren schon die Basis für alles wirtschaftliche Handeln. Im Gegensatz zu heute gab es damals in Deutschland jedoch einen fast monopolistischen Anbieter für Kommunikation und Warenverkehr: die Deutsche Reichspost. In Karlsruhe entstand das neue Hauptpostgebäude (an Stelle der bisherigen Leibgrenadierkaserne) am heutigen Europaplatz zwischen 1897 und 1900. Der Architekt Wilhelm Walter hat die Fassade einem barocken Schlossbau nachempfunden, was dem Repräsentationsbedürfnis der Kaiserzeit entsprach und zudem der Vertiefung des nationalen Geistes der Untertanen dienen sollte. Die Selbstdarstellung eines Staates in seinen Behörden gehörte zum Kern des Staatsbewußtseins vor dem Ersten Weltkrieg.
Inzwischen ist das ehrwürdig Gebäude im wahrsten Sinne des Wortes von seinem Sockel geholt worden. (Der Platz wurde anlässlich des Umbaus zum Einkaufszentrum 2001 zum Gebäude hin angehoben, so dass der Kunde ohne Stufen barrierefrei quasi in das Gebäude hineingesogen wird). Aber auch wenn jetzt der schnöde Mammon regiert (aber ja, wir brauchen jeden Beitrag zum Bruttosozialprodukt, gerade jetzt!), gibt es an der Fassade doch noch viele Hinweise auf die frühere Nutzung als Hauptpost. Also schauen Sie bei Ihrem nächsten Einkauf doch mal nach oben:
Über der früheren linken (östlichen) Eingangstür sehen Sie diese Dame, die personifizierte Post, mit einem Posthorn als Halskette. Da man durch diesen Eingang die Briefposthalle betrat, finden Sie links von ihrem Gesicht eine Brieftaube mit einem Brief im Schnabel. Rechts hingegen den Fang (Fuß) eines Greifvogels mit einem Bündel Blitze. Denn im zweiten Stock des Postgebäudes war das Telegraphenamt untergebracht und die Telegraphie funktionierte anders als im gestrigen Beitrag inzwischen mit Elektrizität, weshalb sich im Hof des Gebäudes sogar ein kleines Elektrizitätswerk befand.
Der rechte (westliche) Eingang führte hingegen in die Paketposthalle. Deshalb sehen Sie hier rechts einen Schiffsbug beladen mit einem Paket, davor der geflügelte Hermesstab mit zwei Schlangen. Hermes (bei den Römern Merkur genannt) war der Gott des Handels und der Kaufleute; ein Schiff, das durch die Wellen pflügte, stand für wirtschaftlichen Erfolg.
Links ein telefonierender Mann, denn auch ein Fernsprechsaal für die Handvermittlung von Telefonaten war in das Gebäude integriert worden (es gab damals in Karlsruher erst 892 Anschlüsse; der Saal war jedoch für 2.000 Anschlüsse dimensioniert worden inkl. einer Kapazitätserweiterung auf 4.800 Anschlüsse.)
Wie wurde die Post transportiert? Auch das können Sie an der Fassade ablesen:
MIt der Eisenbahn (geflügeltes Zugrad) und per Schiff (geflügelter Schiffsbug). Die beiden Figuren stehen rechts und links oberhaupt des Haupteingangs in der Mitte des Gebäudes. Luftpost gab es damals noch nicht, erst 1912 wurden das erste Mal größere Mengen an Briefsendungen mit dem Flugzeug transportiert.
Das Postwesen verband nicht nur Deutschland und Europa, sondern die ganze Welt miteinander. Das wird durch die Personifizierung von vier Kontinenten durch Männerköpfe (nach damaliger Vorstellung) dargestellt.
1. Photo: links mit Indianerkopfschmuck = Amerika, rechts mit krausem Haar = Afrika
2. Photo: links mit Mongolenbart = Asien, rechts mit lockigem Haar + Bart = Europa
Warum fehlt der fünfte Kontinent, Australien? Eine ungerade Zahl war bei dem symetrisch ausgerichteten Gebäude nicht zu gebrauchen und Australien war für das Deutsche Reich der am wenigsten wichtige Handelspartner; es gab dort auch keine deutschen Kolonien.
Über den Fenstern zwischen den "Kontinenten" können Sie einen Buchstaben erkennen: "F", für Friedrich I, der zur Zeit der Erbauung Großherzog in Baden war. Über dem Haupteingang in der Mitte des Gebäudes befand sich ursprünglich ebenfalls ein Buchstabe, nämlich "W" für Kaiser Wilhelm II, damaliger Kaiser des Deutschen Reiches. Er hatte sich übrigens die Fassadenpläne für die Karlsruher Hauptpost vorlegen lassen und und persönlich Verbesserungsvorschläge eingebracht. Im Gegensatz zum "F" ist das "W" aber nicht mehr vorhanden. Warum nicht?
o Dieser Teil der Fassadendekoration wurde im 2. Weltkrieg zerstört und bei der Erneuerung
verzichtete man auf das kaiserliche Relikt.
o Das W war 1938 entfernt worden, um stattdessen ein Hakenkreuz einzumeißeln.
Der Beginn des Krieges 1939 verhinderte jedoch die Ausführung des Planes.
o Das W wurde nach der Revolution 1918 ausgemeißelt, weil der Kaiser im Gegensatz zum
Großherzog nach Ende der Monarchie bei der Karlsruher Bevölkerung nicht mehr beliebt war.
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Lösung von gestern:
Der erste optische Telegraphenlinie Frankreichs führte 1794 von Paris nach Lille. Die zweite Strecke verband 4 Jahre später Paris mit Straßburg (im Elsass sind in der Nähe von Saverne/Zabern noch Relikte dieser Linie zu sehen). Sie existierte immerhin bis 1852.
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