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AutorenbildRenate Straub

Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld...? - Die Karlsruher Münze (Teil 1)

Diese Frage stellt sich nicht erst heute in Zeiten von Corona, sondern auch früher gab es Krisen (damals meist Kriege) mit schweren wirtschaftlichen Folgen. Werfen wir zur besseren Illustration der Ereignisse doch einen Blick auf die Karlsruher Münze:

1826 von Weinbrenner gebaut (sein letztes Projekt) unter der Regentschaft von Großherzog Ludwig (daher das bekrönte "L" im Giebel); Stephanienstraße Ecke Karlstraße.


In der napoleonischen Zeit von einer kleinen Markgrafschaft zum Großherzogtum von Napoleons Gnaden mutiert, hatte Baden zunächst das Problem, dass die bisherige Münze in Mannheim bei weitem nicht mehr den Münzbedarf im flächenmäßig stark vergrößerten Baden decken konnte. Deshalb waren viele ausländische Münzen in Umlauf, vor allem französische. Spätestens seit dem Sturz Napoleons war das natürlich eine heikle Sache. Der Neubau der Münze in Karlsruhe hatte daher nicht nur den praktischen Zweck, die heimische Münzproduktion zu steigern und das Land damit flächendeckend zu versorgen, sondern sie war ein gebautes Symbol der badischen Staatsautonomie!


Anlässlich der Eröffnung der Münze 1827 wurden die ersten Fünf-Gulden-Stücke aus Rheingold geprägt. Nach der Reichsgründung 1871 folgten ab 1872 Zehn- und Zwanzigmarkstücke. Auch diese aus Gold, aber aus speziellem: Sie wurden aus den eingeschmolzenen Goldfranc der französischen Reparationszahlungen geprägt. Ludwig Kachel, der damalige Leiter der Münze schrieb dazu folgendes Gedicht:

Im Tiegel glüht auf vielen tausend Stücken

Napoleon, Dein marmorkaltes Bild

Kein Auge wird hinfort es mehr erblicken

Es schmilzt mit ihm des Kaiserreiches Schild

Denn eine andre Zeit ist aufgegangen

Ein andres Zeichen wird das Gold empfangen!


Im nächsten Krieg, dem 1. Weltkrieg, war dann Deutschland der Verlierer und musste u.a. an Frankreich Reparationszahlungen leisten. Die bereits durch die Kriegsausgaben verursachte Inflation wurde so weiter angeheizt. Als Deutschland nicht mehr im Stande war, seinen Zahlungen und Sachlieferungen nachzukommen, wurde das Ruhrgebiet (aber auch der Karlsruher Rheinhafen) von Frankreich (und Belgien) besetzt, um die Reparationszahlungen und deren Abtransport in diese Länder zu gewährleisten. Die deutsche Antwort auf die französisch-belgische Besetzung war ein Generalstreik, zu dessen Finanzierung Banknote um Banknote gedruckt wurde... - aus der bereits vorhandenen Inflation wurde 1923 eine galoppierende.

Mit Münzen war in dieser Situation bald Schluss - nach den 200 und 500-Mark-Stücken wurde nur noch Papiergeld gedruckt. Das dann allerdings nicht mehr in der Münze sondern in einer Druckerei.

Mein Karlsruher 500-Mark-Stück habe ich derzeit verliehen, weshalb ein Berliner 500-Mark-Stück zur Illustration dient. Das 200-Mark-Stück wurden hingegen tatsächlich in der Stephanienstraße geprägt.


Aber nicht nur die Reichsbank, sondern auch die einzelnen Kommunen gaben Notgeld heraus, wie z.B. Karlsruhe.


Bei der Gestaltung des Geldes gab man sich anfangs noch viel Mühe und auch ein Schuss Humor fehlte nicht. Auf dem 10.000 Mark-Schein vom Februar 1923 sind z.B. die Goldwäscher am Rhein bei Karlsruhe um 1800 zu sehen.

Untertitelt ist das Rheinmotiv folgendermaßen:

Gold des Rheines münzten einst die Väter hier, Enkel drucken heute Nullen auf Papier


Doch damit nicht genug: Der Künstler Alfred Kusche, gestresst von der Hektik, mit der auf Grund des rasanten Inflationsgeschehens immer schneller neue Druckstöcke für höhere Banknoten hergestellt werden mussten, soll seinen Ärger darüber durch eine eigene nicht offizielle kleine "Verschönerung" der Banknoten Luft gemacht haben: Auf dem Waschzuber, über den sich der Goldwäscher beugt, stehen die Buchstaben LMA². (= Leck mich am A....).


Die Banknote wurde so gedruckt und in Umlauf gebracht. Einge Tage später saß Kusche in der Künstlerkneipe in Daxlanden und erzählte, dass er am nächsten Tag in die Pfalz fahren wolle. Eine anderer Gast warnte ihn jedoch: Er würde in der von Frankreich besetzten Pfalz steckbrieflich gesucht. Denn die französische Besatzungsmacht hätte das LMA² und den vermeintlich nackten Hintern des gebückten Goldwäschers als Beleidigung Frankreichs interpretiert. Kusche fuhr dann lieber doch nicht über den Rhein...

Die Rückseite des obrigen Scheines.


Hinweis:

Am Freitag, den 14. August 2020, findet um 10.30 Uhr eine Führung rund um die Münze statt. Inkl. Innenhof, aber ohne Innenbesichtigung des Gebäudes. Unter dem Menüpunkt "Anmelden" können Sie sich online anmelden. Oder schicken Sie uns eine Mail.

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