top of page

Abschied und Neubeginn, Bahnhofsverlegung und Kombilösung


Der alte Karlsruher Hauptbahnhof

Als vor zwei Wochen der neue Stadtbahntunnel unter der Karlsruher Kaiserstraße in Betrieb ging, wurde verschiedentlich der Vergleich zu einen Ereignis gezogen, das 108 Jahre stattgefunden hatte. Die Rede ist von der Verlegung des Hauptbahnhofs im Oktober 1913. Sowohl das Ereignis selbst mit der umfassenden Veränderung innerstädtischer Verkehrsströme als auch die sich in der Folge eröffnende städtebauliche Perspektive wiesen in der Tat einige Parallelen zur aktuellen Eröffnung der Kombilösung auf.


Beginnen wir die Zeitreise mit dem Abschiedsschmerz. Ähnlich wie 2021 machten sich Scharen von Bahn-Enthusiasten weit nach Mitternacht auf den Weg, um an der letzten Fahrt teilzunehmen. Ganz so extrem wie 2021, als um 3:54 Uhr am Sonntagmorgen die letzte Stadtbahn mit Fahrgästen an Bord die Kaiserstraße passierte, war es damals in der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober 1913 nicht, man musste „nur“ bis halb zwei Uhr warten. Die Zeit bis dahin verbrachten viele in den Bahnhofswirtschaften, „wo man das Abschiedsweh nach Möglichkeit durch Gerstensaft zu dämpfen suchte“, notierte die Karlsruher Zeitung. „Besonders nahe ging der Bahnhofsschluss aus begreiflichen Gründen den in nächster Nähe gelegenen Wirtschaften, die auf Halbmast und mit Trauerflor geflaggt hatten.“ Um 1:08 Uhr verließ zunächst der „Orient-Express“ als letzter Zug Richtung Süden den alten Bahnhof, „unter lauten Zurufen, was den in ihrer Nachtruhe gestörten Passagieren des Luxuszugs wohl nicht sonderlich behagt haben mag“. Dann war es um 1:26 Uhr so weit, der letzte Zug sollte Richtung Durlach abfahren. Wegen des enormen Andrangs „wie man es auf dem alten Bahnhof nur an den Abenden großer Feiertage, beim Zurückströmen der Ausflügler erlebt hat“, musste die Bahnverwaltung schließlich sogar kurzerhand einen Sonderzug bereitstellen. Dieser wiederum wendete schon in Durlach und fuhr kurz vor dem ersten planmäßigen Schnellzug gegen halb drei Uhr in der Frühe „unter stürmischen Willkommensrufen“ in den neuen Hauptbahnhof ein. Dort hatten sich gegen halb zwei Uhr erstmals die Tore für das Publikum geöffnet und dieses kam in Mengen. „Es entwickelte sich in den Warteräumen, in der Schalterhalle und auf den Bahnsteigen ein Verkehr, wie er nur bei ganz besonderen Anlässen zu verzeichnen sein dürfte“, staunte der Reporter der Karlsruher Zeitung. Dies ist um so bemerkenswerter, als die Eröffnung nicht am Wochenende, sondern an einem Donnerstag, also einem ganz normalen Werktag stattfand. Da hatten es die ersten Neugierigen im Stadtbahntunnel an einem Samstagnachmittag doch deutlich angenehmer.